Quantentechnologien: zwölf internationale Projekte gestartet

Europa und Internationales
10.08.2018
Erstellt von Photonik Forschung Deutschland

Von der abhörsicheren Verschlüsselung bis zur Medizintechnik, Quantentechnologien bringen viele Chancen für neue Anwendungen in Industrie und Gesellschaft mit sich. Das BMBF unterstützt die Forschung in diesem Bereich – zwölf internationale Projekte mit deutscher Beteiligung haben bereits die Arbeit aufgenommen.

grafische Darstellung eines Atoms
Bild: © rybindmitriy/Fotolia

Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und Fördergebern aus 25 anderen, überwiegend europäischen Ländern treibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gezielt Forschungsprojekte im Bereich der Quantentechnologien voran. Die transnationale ERA-NET-Maßnahme QuantERA setzt auf internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit, um Kompetenzen, Potenziale und Ressourcen der beteiligten Länder möglichst effizient zu nutzen. Denn bevor quantenmechanische Effekte in die Anwendung gebracht werden können, gilt es noch umfangreiche Forschungsarbeit zu leisten.

Zielsetzung: Quantentechnologien in die Anwendung bringen

Das Potenzial der Quantentechnologien ist enorm, ob in der Informationsübertragung und -verarbeitung, für höchstpräzise Mess- und Abbildungsverfahren oder für die Simulation komplexer Systeme. Wissenschaftler sprechen davon, Magnetfelder des Gehirns zu vermessen und Alzheimer oder Parkinson besser zu verstehen, den Verkehrsfluss zu optimieren und Staus zu vermeiden oder neue Werkstoffe und Katalysatoren allein auf der Grundlage von Simulationen zu entwickeln. Quantentechnologien schaffen dafür die Basis und werden die technischen Lösungen von heute, etwa in der Sensorik oder beim Computing, deutlich übertreffen. Zurzeit steht das Feld allerdings noch am Anfang der Technologieentwicklung.

Transnationale Kooperation und Koordination

In QuantERA bündeln deshalb Fördergeber aus 26 Ländern ihre Ressourcen, um gemeinsam die wissenschaftlich-technologische Entwicklung und die Position Europas in diesem wichtigen Zukunftsfeld zu stärken. Die Koordination der Zusammenarbeit übernimmt dabei das National Science Centre (NCN) in Polen. Die beteiligten Länder und die Europäische Kommission, welche die Initiative finanziell unterstützt, stellen zusammen insgesamt über 34 Millionen Euro Fördermittel für Forschungsprojekte zur Verfügung. Für die deutschen Partner in den ausgewählten Projekten sind 6,5 Millionen Euro vorgesehen. Zwölf der insgesamt 18 Projekte mit deutscher Beteiligung sind bereits gestartet:

CEBBEC
Controling EPR and Bell correlations in Bose-Einstein condensates

Ultrakalte Atome, die nah an den absoluten Nullpunkt gekühlt werden, können für extrem genaue Messungen eingesetzt werden, unter anderem zur Messung von Beschleunigung und Rotation. Indem die Atome miteinander „verschränkt“ werden, kann hohe Präzision erreicht werden. Im Rahmen von CEBBEC entwickeln europäische Arbeitsgruppen zusammen theoretische und experimentelle Methoden, um ultrakalte atomare Ensembles besser zu kontrollieren und für Präzisionsmessungen nutzbar zu machen.
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InterPOL
Polariton lattices: a solid-state platform for quantum simulations of correlated and topological states

Bei Quantensimulationen werden Probleme gelöst, indem sie auf ein entsprechendes Quantensystem abgebildet werden. Die Vorgänge im analogen Quantensystem werden im Simulator verfolgt und anschließend auf die Lösung des ursprünglichen Problems zurückgeführt. Dadurch können spezifische Probleme effizient gelöst werden, die selbst mit leistungsfähigen Supercomputern nicht gelöst werden können. Das Ziel des Verbundvorhabens InterPOL ist die Entwicklung einer skalierbaren (Skalierbarkeit = Fähigkeit zur Größenveränderung eines Systems) festkörperbasierten und kompakten Plattform für die Quantensimulation. Solche On-Chip-Plattformen gibt es zurzeit noch nicht.
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NanoSpin
Spin-based nanolytics – Turning today’s quantum technology research frontier into tomorrow’s diagnostic devices

Um die Empfindlichkeit der Kernspinresonanz-(NMR-)Spektroskopie zu erhöhen, ist es erforderlich, die Polarisation, d. h. die Ausrichtung der Kernspins entlang eines extern angelegten Magnetfeldes zu verbessern. Konventionell erreicht man dies durch eine immer weitere Verstärkung des externen Magnetfeldes, wofür tonnenschwere Magnete benötigt werden, die ganze Räume füllen. Das Verbundprojekt NanoSpin entwickelt für die sogenannte Hyperpolarisation der Kernspins einen vollkommen neuen Zugang über die Nutzung der quantenmechanischen Kopplung der Elektronenspins. Zusätzlich soll eine Mikrointegration der notwendigen Lasertechnik und Elektronik mit dem Ziel erfolgen, ein tragbares Spektrometer für Gewebe- und Zellkulturen zur Verfügung zu stellen.
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NAQUAS
Non-equilibrium dynamics in Atomic systems for QUAntum Simulation

Das Ziel des Projekts NAQUAS ist die systematische Charakterisierung der Nicht-Gleichgewichts-Dynamik von Quantensystemen ultrakalter Atome in der Nähe kritischer Punkte. Denn das systematische Verständnis dieser Nicht-Gleichgewichts-Dynamik ist eine offene Herausforderung, die die Entwicklung adäquater physikalischer Werkzeuge erfordert. Dazu werden innovative theoretische Ideen der Physik kondensierter Materie, der Quantenoptik, der statistischen Physik und der Quanteninformation mit fortgeschrittenen Experimenten mit ultrakalten atomaren Quantengasen kombiniert. Die Ergebnisse des Projekts können einen Grundstein für die Entwicklung der nächsten Generation von Quantengeräten bilden.
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QCDA
Quantum Code Design and Architecture

Das Forschungsvorhaben QCDA hat das Ziel, alternative Ansätze für die Architektur von Quantencomputern zu finden, die sowohl praktisch sind, als auch mit weniger Ressourcen auskommen. Deshalb strebt das Projekt das Design einer neuen Generation von logischen Quantenbits (kurz Qubits; Gegenstück zu den elektronischen Bits in der Datenverarbeitung) und Quantencodes an. Durch die Entwicklung neuer Architekturen sollen Hardware-Anforderungen markant reduziert werden. Dies wird den Übergang des Quantencomputings von einem akademischen Forschungsumfeld in die Industrie und Gesellschaft erleichtern.
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Q-Magine
Scalable Electrically Read Diamond Spin Qubit Technology for Single Molecule Quantum Imagers

Das Q-Magine-Projekt verfolgt eine wesentliche Präzisionssteigerung durch Verwendung eines neuen Detektionsverfahrens für Magnetresonanzsignale. An Stelle der bisher überwiegend genutzten optischen Detektion soll ein photoelektrisches Verfahren zur Anwendung kommen, das eine um den Faktor 1000 höhere Detektionsrate bietet. So können auch Signale gemessen werden, die bislang viel zu schwach für einen Nachweis waren. Durch die enorme Verbesserung lassen sich für diese Art von Sensoren ganz neue Anwendungsbereiche erschließen. Ziel des Konsortiums ist es insbesondere, für das neue Gebiet der Proteomforschung (Proteom = Gesamtheit der Proteine eines Lebewesens) eine innovative, kosteneffiziente Analysemethode zu entwickeln und damit die bisherigen, sehr teuren Verfahren, wie etwa die Massenspektroskopie, zu ergänzen oder sogar zu ersetzen.
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ORQUID
Organic Quantum Integrated Devices

Im ORQUID-Projekt sollen einzelne organische Moleküle als Schnittstelle zwischen drei Arten von Quanten – Photonen, Elektronen und Phononen – verwendet werden. Denn um Quantentechnologien erfolgreich einsetzen zu können, ist es notwendig, einzelne Quantensysteme miteinander zu verbinden, und zwar auf skalierbare und effiziente Art und Weise. Ein hybrider Integrationsansatz erlaubt es, individuelle Komponenten separat zu optimieren und zu fertigen. Damit können unterschiedliche Materialien besser aneinander angepasst werden, z. B. organische Materialien und supraleitende Schichten. Das überwindet eine große Herausforderung der integrierten Quantenoptik.
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QTFLAG
Quantum Technologies For LAttice Gauge theories

Der Fokus des Projekts liegt im Bereich der Quantensimulation. Dazu werden verschiedene Ansätze erforscht. Diese theoretischen Methoden haben aber allerdings nur einen praktischen Nutzen, wenn sie sich in einem Experiment umsetzen lassen. Deshalb arbeiten Theoretiker eng mit Experimentatoren zusammen. So werden die theoretischen Methoden spezifisch angepasst und letztlich in unterschiedlichen Hardware-Plattformen – basierend auf kalten Atomen, gefangenen Ionen sowie supraleitenden Schaltkreise – implementiert. Ziel ist ein effizienterer theoretischer Rahmen, um Quantensimulationen in einer der Hardware-Plattformen durchzuführen. Dies kann als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem skalierbaren Quantencomputer gewertet werden.
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QuaSeRT
Optomechanische Quantensensoren bei Raumtemperatur – Teilvorhaben: Nanomechanische Plattform für kohärente Messprotokolle (NanoKoM)

Optomechanische Bauteile sind aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit gegenüber wechselnden Einflüssen aus der Umgebung hervorragend für Anwendungen in der Sensorik geeignet. Sogenannte quantenlimitierte Sensoren versprechen eine gewaltige Steigerung der Sensitivität, allerdings sind heutige quanten-optomechanische Bauteile auf den Betrieb nahe des absoluten Nullpunkts angewiesen – und somit nur eingeschränkt für sensorische Anwendungen nutzbar. Das Projekt QuaSeRT arbeitet an der Entwicklung optomechanischer Quantensensoren, die bei Raumtemperatur funktionieren. Ziel des Teilvorhabens NanoKoM ist es, mithilfe eines rein klassisch funktionierenden physikalischen Systems gewisse Messprotokolle der zu entwickelnden Quantensensoren zu untersuchen.
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RouTe
Towards Room Temperature Quantum Technologies

Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, das Fundament für eine raumtemperaturbasierte und damit weitaus anwendungsnähere Quantentechnologie zu legen. Um die notwendigen Quanteneigenschaften bei Raumtemperatur zu erhalten, nutzt RouTe nanophotonische Strukturen. Mit diesen kann Licht mit organischen Molekülen auf engstem Raum zusammengebracht werden, wodurch eine kohärente Wechselwirkung zwischen Feld und Materie ermöglicht wird. Hierdurch können neue „Materialien“ entstehen, die ein Hybrid aus Licht und Materie sind. Die Projektergebnisse könnten die Grundlagen für Messinstrumente, Quanteninformationsspeicher, Quantensimulatoren oder spezifische neue Materialien bilden. Sie könnten auch für neuartige chemische Verfahren eingesetzt werden und um Reaktionsraten genau zu berechnen.
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SiQuBus
Langreichweitiger Quantenbus für Elektronenspins in Silizium

Quantencomputer haben potenziell immense Vorteile gegenüber einer konventionellen Rechnerarchitektur: Sie könnten in Zukunft bei Aufgaben wie Mustererkennung oder maschinellem Lernen mehrere Größenordnungen schneller sein als ihre klassischen Pendants. Ein fehlender Baustein für eine skalierbare Quantencomputerarchitektur ist die kohärente Übertragung von Quanteninformation auf einer Distanz von ca. 10 Mikrometern. Ein sogenannter Quantenbus (QuBus) schafft Raum für elektrische Zuleitungen und gegebenenfalls klassische Kontrollelektronik auf einem Computer-Chip. Im QuBus wird die Quanteninformation übertragen, indem ein Elektron, in dessen Spin die Qubit-Information kodiert ist, kontrolliert über eine solche Distanz transportiert wird. Dieses komplexe Bauteil wird im SiQuBus-Projekt untersucht, um letztlich ein QuBit zu transportieren, ohne dessen Quanteneigenschaften zu zerstören.
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Topoquant
2D hybrid materials as a platform for topological quantum computing

Quantencomputer können gewisse Probleme sehr viel effizienter lösen als herkömmliche Computer. Hierzu nutzen sie aus, dass Systeme in der Quantenmechanik auch in mehreren Zuständen gleichzeitig vorliegen können. So kann ein sogenanntes Qubits nicht nur die Zustände 0 oder 1 annehmen, sondern auch beliebige Kombinationen der beiden. Dies kann Algorithmen insofern beschleunigen, da viele Konfigurationen parallel zur gleichen Zeit anstatt sequentiell abgearbeitet werden können. Solche Überlagerungszustände von 0 und 1 sind jedoch hochgradig instabil, was ihre Anwendung in Quantencomputern sehr erschwert. Üblicherweise wird versucht, Qubits möglichst weitgehend gegen äußere Störungen abzuschirmen. Im Projekt Topoquant wird ein alternativer Zugang verfolgt, bei dem die Zustände, wie man sagt, topologisch geschützt sind und daher nicht auf äußere Einflüsse wie lokale elektrische oder magnetische Felder reagieren.
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Weiterführende Informationen

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